Beredtes Schweigen

Sizilianer haben die Rede wie das Schweigen zu einer hohen Kunst entwickelt. Sprichwörtliche Berühmtheit hat die omertà erlangt, war doch die sizilianische Tugend der Verschwiegenheit lange Zeit das Mittel erster Wahl im Umgang mit dem Phänomen Mafia. Inzwischen wird offen darüber gesprochen und seit es die Kronzeugenregelung gibt, kann sich die italienische Justiz vor mitteilungsfreudigen pentiti kaum noch retten.

Auch wenn in der langen Geschichte der Fremdherrschaften es die Sizilianer häufig für klüger hielten den Mund zu halten, so scheint ihnen doch die Lust an der Sprache angeboren zu sein. Nicht zufällig wurde das erste Lehrbuch der Rhetorik in Syrakus geschrieben und auch Gorgias (483-375 v. Chr.), der Begründer der Sophistik, war Sizilianer. Gegen bare Münze brachte er selbst den als redegewandt bekannten Athenern das kunstvolle Sprechen bei. Der Unterricht machte ihn zu einem der reichsten Männer Griechenlands und in Delphi stiftete er sich selbst ein goldenes Denkmal. Eine wertvolle Schule waren für ihn die zahlreichen Eigentumsprozesse gewesen, die der Tod des Tyrannen Hieron nach sich gezogen hatte und heute noch bringt Sizilien die meisten Rechtsanwälte Italiens hervor.

In Sizilien wurde auch zu allen Zeiten Literatur von Weltrang geschrieben, zwei Literaturnobelpreise (1934 Luigi Pirandello, 1959 Salvatore Quasimodo) bestätigen das offiziell. Viele der Werke Bufalinos, Consolos, Sciascias oder Vergas - um nur einige zu nennnen - sind ins Deutsche übertragen, dem hintersinnigen Humor der Sizilianern kommt man jedoch am besten in ihrer eigenen Sprache auf die Spur. Doch Worte alleine genügen selten. Im Gespräch sind die Hände in ununterbrochener Bewegung und mit ihrer Gestik drücken sie oft die eigentliche Essenz der Unterhaltung aus.